An Tagen wie diesen…

…werden wir hin und hergeworfen. Wir werden mal von Hilfsbereitschaft, mal von Fassungslosigkeit überwältigt. Angst und Zuversicht liegen sekundennah beieinander. Genauso wie Kraft und Erschöpfung. Und in manchen Momenten sind wir nur noch wütend und können nicht mal mehr dagegen ansingen, dass unsere Welt auseinanderzufliegen droht. Nur noch schreien können wir dann:„Gott, wenn Du nicht aufpasst auf uns, dann …“

In der Bibel finden sich Verse für alle Lebenslagen, sowohl die „himmelhoch jauchzenden“ als auch die „zu Tode betrübten“. So sehr wir uns regelmäßig bemühen, die biblischen Texte im Kontext und aus sich heraus zu deuten, ist es auch eine unserer Traditionen, zu besonderen Gelegenheiten einzelnen Verse zu zitieren, wissend, dass sie aus ihrem Kontext gerissen sind.
Einen Vers habe ich in diesen Tagen immer wieder im Ohr:
„Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. (2.Tim 1, 7 )

Paulus steckte beim Schreiben dieses Briefes zwar in einer ganz anderen Situation, als wir gerade sind, aber trotzdem benutzte er genau die gleichen Worte, die auch uns zurzeit überall begegnen.
Furcht, die Angst die uns überfallartig lähmt.
Kraft, die wir brauchen, um unseren durcheinander gewirbelten Alltag zu meistern, Kraft, die vor allem all jene brauchen, die Verantwortung tragen und die in den so genannten systemrelevanten Bereichen arbeiten.
Liebe, die wir in kleinen und großen Gesten der Nächstenliebe, Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft beobachten können.
Besonnenheit, die wir alle an den Tag legen müssen, um uns nicht in leerem Aktionismus zu verfangen, sondern angemessenem und weitreichend zu handeln.

Wenn in diesen Tagen meine Wut auf dieses Virus sich wieder mal Gehör verschafft hat, singe ich diesen Paulus-Vers in mich hinein.

Die Toten Hosen, aus deren Song ich eine Zeile als Überschrift zitiert habe, singen übrigens:
„An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit.
An Tagen wie diesen haben wir noch ewig Zeit, wünsch ich mir Unendlichkeit.“

Lieber Gott, für diese Welt wäre ich fürs erste mit Zeit in der Endlichkeit zufrieden!

Silke Hamburger