Evangelische Kirchengemeinde Burscheid
„Ich habe großes Vertrauen in Gott, mute ihm aber auch viel zu“

Pfarrer Matthias Pausch über seine Frömmigkeit, seinen bevorstehenden Ruhestand und die Qualitäten von Burscheid als Gemeinde wie als Wohnort.
Anfang April 1992 nahm Matthias Pausch seine Arbeit als Pastor im Hilfsdienst beim damaligen Hilgener Pfarrer Viktor Wendt auf. Anderthalb Jahre später, nach der Erlangung seiner Anstellungsfähigkeit, wurde er vom Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Burscheid zum Nachfolger von Pfarrer Klaus Bertram auf die 1. Pfarrstelle gewählt – und blieb sein gesamtes Berufsleben. Im Gottesdienst am 10. Dezember um 15 Uhr wird er in der Burscheider Kirche in den Ruhestand verabschiedet.
Matthias, wie geht es dir körperlich und seelisch so kurz vor dem Abschied?
Seelisch geht es mir sehr gut. Ich freue mich auf den neuen Lebensabschnitt und die damit verbundenen Freiheiten. Körperlich bin ich zwar sehr gut ärztlich versorgt und dadurch gesundheitlich stabil. Aber stabil bedeutet auch, dass meine Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt ist. Schon seit längerer Zeit habe ich eine Schwerbehinderung von 50 Prozent. Die Gründe, die es erforderlich machen, dass ich mich aus dem aktiven Dienst verabschiede, sind nicht schön.
Dieser aktive Dienst hat 30 Jahre gedauert. Was hat dich damals nach Burscheid geführt?
Ich habe im Vikariat den damaligen Leverkusener Pfarrer Günter Ruddat kennengelernt. Und der hat mir gesagt: „Sie wären für die letzte Ausbildungsphase in Burscheid gut aufgehoben.“ Ich kannte Burscheid bis dahin gar nicht, nur den Namen aus den Verkehrsfunknachrichten.
Kannst du dich noch an deine ersten Eindrücke erinnern?
Ich weiß noch, dass ich mit meinem Motorrad hier angekommen bin und gedacht habe, das ist ja eine interessante Motorradgegend. Die Kirche in Burscheid hat mich fasziniert, aber auch das Hilgener Gemeindezentrum mit seinem familiären Beziehungsgeflecht. Und natürlich fand ich klasse, dass Köln, Düsseldorf und Wuppertal in erreichbarer Nähe liegen. Ich wäre nicht gerne in den Hunsrück gegangen, dafür ist mir das kulturelle Angebot der Großstädte zu wichtig.
Der junge Matthias Pausch war womöglich ein anderer als der heutige. Welche Veränderungen stellst du bei dir fest?
Es gibt Konstanten und es gibt Dinge, die sich tatsächlich verändert haben. Eine Konstante ist, dass ich von Anfang an gerne Gottesdienste, auch in der Schule, und Taufen, Trauungen und Beerdigungen gemacht habe. Verändert hat sich meine Freude an der Gremienarbeit. In jungen Jahren habe ich unheimlich gerne den Presbyteriumsvorsitz gehabt. Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Verändert hat sich auch, dass ich, wenn ich auf der Kanzel oder am Lesepult stehe, nicht mehr so stabil bin. Das ist ein sehr unangenehmes Gefühl. Und ich habe früher sehr gerne Konfiarbeit gemacht, aber irgendwann konnte und wollte ich das nicht mehr und war daher froh, dass ich mit meinen Kolleginnen verabreden konnte, mich bei entsprechendem Ausgleich aus diesem Arbeitsbereich zurückzuziehen. Dafür habe ich mich zunehmend im Seniorenbereich engagiert.
Wo, glaubst du, hat die Gemeinde dich geprägt?
Ich habe mich mit der Gemeinde und durch die Gemeinde weiterentwickelt. Als ich zum Beispiel mit Annerose Frickenschmidt über einen Vers gesprochen habe, der Grundlage des Abschiedsgottesdienstes sein könnte, fiel mir sofort Psalm 37 ein: Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen. Wir sprechen ja aus guten theologischen Gründen inzwischen mehr von Gott als vom HERRN. Das sind nostalgische Gefühle, warum mir das Wort an dieser Stelle dennoch wichtig ist. Ich habe lange mit Überzeugung und vielleicht auch etwas Trotz beim Segen gesprochen: „Der HERR segne dich und behüte dich. Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.“ Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Mittlerweile finde ich es richtiger zu sagen: „Gott segne dich und behüte dich.“ Diese Lernprozesse gehen nicht immer von heute auf morgen. Das gilt auch für meine Einstellung zu Autos. Sie haben mir immer viel bedeutet. Aber dann habe ich in Kopenhagen erlebt, wie es auch anders sein kann, und durch die Gemeindearbeit begriffen, welche Verantwortung wir tragen für den Erhalt der Umwelt im Blick auf die nachfolgenden Generationen.
Und wo hast du die Gemeinde geprägt?
Ich glaube, ich habe eher einzelne Menschen und Familien mitgeprägt als die Gemeinde. Aber vielleicht war die Gemeinde, bis ich kam, in ihren vielen Kreisen noch nicht so sehr daran gewöhnt, dass man dort auch mit Selbsterfahrungselementen arbeiten und sich mit persönlichen Themen einbringen kann. An dieser Stelle hat meine umfängliche Seelsorgeausbildung meine Arbeit geprägt und damit zum Teil auch die Gemeinde. Ich habe auch eher seelsorglich als dogmatisch gepredigt.
Was macht heute deinen Glauben aus?
Ich selbst würde mich als fromm bezeichnen, kann mir aber vorstellen, dass mich viele konservative Christen nicht so empfinden. Ich habe großes Vertrauen in Gott, mute ihm aber auch viel zu. Ich führe kein ganz ausgeprägtes spirituelles Leben. Ich bete, wenn mir danach ist, und nicht, wenn die Uhr es verlangt. Und ich bin stolz darauf, im öffentlichen Raum nie etwas Theologisches gesagt zu haben, das ich nicht hundertprozentig unterschreiben könnte.
Was zeichnet für dich die Burscheider Gemeinde so aus, dass du 30 Jahre geblieben bist?
Ich will nicht verhehlen, dass es einzelne Versuche gab, die Stelle zu wechseln. Ich wollte nie in eine andere Gemeinde, aber ich wäre gerne Gefängnisseelsorger geworden. Zweimal hätte das fast geklappt. Aber davon abgesehen: In der Burscheider Dienstgemeinschaft gab es immer ein Grundverständnis füreinander und eine Grundsolidarität. Wir haben gestritten, zum Beispiel während der Pandemie darüber, was man machen darf und was auf keinen Fall. Das war quälend und anstrengend und manchmal auch enttäuschend, aber wir haben uns nie entzweit, sondern nach solchen Auseinandersetzungen wieder schnell zueinandergefunden. Ich bin froh und dankbar, dass ich an dieser Stelle nicht viele Kräfte verschleißen musste. Und ich habe in allen Konstellationen immer Respekt und Wertschätzung erlebt.
Durch deinen Weggang ändern sich die Rahmenbedingungen deutlich und der Pfarrstellenumfang wird reduziert. Wie siehst du die Zukunft der Gemeinde?
Die Wege sind vorgezeichnet: Mittel- bis langfristig wird auch Burscheid nicht mehr alle Angebote vorhalten können, sondern man wird sich in der Region spezialisieren müssen. Was dann der Burscheider Anteil an dieser Spezialisierung sein wird, dazu fehlt mir die Fantasie. Vielleicht wird die Kirchenmusik hier ein Schwerpunkt sein, vielleicht auch die Jugendarbeit, aber das vermag ich nicht abzusehen.
Früher mussten Pfarrer den Wohnort wechseln, wenn sie in den Ruhestand traten. In Burscheid gibt es eine hohe Zahl ehemaliger Pfarrer, auch du wirst hier wohnen bleiben. Ist das heute kein Problem mehr?
Das kann man nur individuell beantworten. Wir hängen sehr an unserem Haus. Man wohnt im Grünen, aber nicht am Ende der Welt. Und die Kirchengemeinde Burscheid liegt mir in besonderer Weise am Herzen. Früher war das Argument: Wenn der alte Pfarrer noch weiter in der Gemeinde lebt, funkt er ständig dazwischen und die Verbleibenden oder auch Neuen müssen immer mit Störfeuern rechnen. Wenn ich das richtig wahrnehme, haben meine beiden Kolleginnen überhaupt keine Angst davor, dass ich mich irgendwie weiter einmischen könnte. Und für mich gehört auch zum Eintritt in den Ruhestand, dass ich mindestens ein Jahr hundertprozentig abstinent bin, was irgendeine Form aktiver Mitarbeit in der Gemeinde anbelangt.
Was liebst du am Pfarrberuf besonders?
Das sind vor allem die persönlichen Rückmeldungen. Wenn ein Kind nach dem Schulgottesdienst sagt, wie schön es ihn gefunden hat. Oder wenn ich Angehörige nach einer Beerdigung treffe, die sagen, dass ihnen das gutgetan hat. Das sind die Dinge, an denen ich mich aufrichte und die mich zufrieden machen.
Und die Schattenseiten?
Das Schwierige dieses Berufs ist, dass man nie fertig wird. Manchmal habe ich davon geträumt, Autoverkäufer in New York zu sein. In meiner Fantasie hatte dieser Autoverkäufer am Freitag um 14 Uhr Dienstschluss und dann sein Privatleben bis Montagmorgen um zehn. Aber gehadert habe ich mit dem Pfarrberuf nie. Mir ist allerdings sehr bewusst, dass ich in den 30 Jahren Menschen auch immer wieder enttäuscht und berechtigte Erwartungen und Hoffnungen nicht erfüllt habe. Und das tut mir leid. Dass solche Enttäuschungen wahrscheinlich unvermeidbar sind, hilft ein bisschen, tröstet aber nicht wirklich.
Auf was freust du dich, wenn du an die nächsten Jahre denkst?
Darauf, Zeit für Dinge zu haben, die bisher zu kurz gekommen sind. Ich lese zum Beispiel die ZEIT sehr gerne. Aber es gab Ausgaben, die haben wir im Originalzustand ins Altpapier geworfen. Außerdem schlafe ich sehr schlecht und bin in der Folge oft erschöpft. Ich bin daher froh, meinem Schlafbedürfnis künftig bedenkenlos auch mal tagsüber nachkommen zu können. Und ich freue mich sehr, eine große Verantwortung abzugeben.
Zur Person: Matthias Pausch, der fünf Tage vor seiner Verabschiedung 63 Jahre alt wird, ist in Lich bei Gießen geboren und hat Kindheit und Jugend in Pulheim verbracht. Nach der Ausbildung als Fachgehilfe in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen studierte er Theologie in Bonn und Marburg und absolvierte sein anschließendes Vikariat in Frechen. Pausch ist verheiratet und zweifacher Vater.
Interview und Foto: Ekkehard Rüger