Kleiner Audiogottesdienst am 14.3.2021 aus Hilgen

Mitwirkende: Pfarrerin Annerose Frickenschmidt, KMD Silke Hamburger

Orgel

Begrüßung

Wenn das Weizenkorn, das in die Erde fällt, nicht stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, trägt es viel Frucht.

Liebe Gemeinde, diese Gedanken Jesu aus dem Johannesevangelium begleiten uns durch diesen kleinen Audiogottesdienst, sie sind unser Willkommen hier und wo immer Sie gerade sind oder ihr seid.

Gebet nach Psalm 84

Gott, 

wie wohl ist mir, wenn Du nahe bist. Wie bin ich dann ganz in Frieden. Wie die Schwalben in ihrem Nest, so bin ich bei dir geborgen, wenn ich spüre, Du bist da. Danach sehne ich mich, Gott.

In den Wüstenzeiten, in denen alle Gewissheiten ins Wanken geraten, sei Du bei mir, sei Du die Quelle, aus der ich Zuversicht schöpfe und Mut. Gott, höre mein Gebet, auch dann, wenn ich keine Worte finde für mein Sehnen oder viel zu viele. Hilf mir darauf zu vertrauen, dass Du mich trägst. 

Orgel  (Meine engen Grenzen)

Einleitung

Liebe Gemeinde, 

alle Welt läuft ihm nach, so stellen Jesu Feinde frustriert fest, nachdem Jesus einen Jünger, den Lazarus, auferweckt hat und in Jerusalem eingezogen ist. Alle wollen ihn sehen. Aber Jesus macht es nicht nur seinen Widersachern schwer, die ihn töten wollen, sondern auch seinen Anhänger*innen, den vielen, die von ihm gehört haben und ihre sehr verschiedenen Hoffnungen auf ihn setzen. Denn er ist kein strahlender Held, kein machtvoller Magier, der mit einem Wink seines Zauberstabs über Leben und Tod bestimmt. Er ist ein Mensch, und er wird bald sterben, hingerichtet von seinen Feinden wie ein Verbrecher. Aber er ist auch Gottes geliebter Menschensohn. Er könnte fliehen, aber er tut es nicht. Er lässt sein Leben los, auch wenn er Angst hat, weil er weiß, dass er sich gerade so nicht verliert. Gerade darum wird er zum Messias, zum Gesalbten Gottes werden für so viele Menschen.

Wir hören, wie Jesus das für seine Jünger*innen deutet:

Lesung Johannes 12,23f                                                          

(Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache und Jörz Zink) 

Jesus sagte: »Die Zeit ist gekommen, dass der göttliche Glanz des Menschensohns sichtbar werde. 24 Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn, das in die Erde fällt, nicht stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, trägt es viel Frucht.

  1. Lied 97, 1.3.5  Holz auf Jesu Schulter

Liebe Gemeinde, 

vielleicht haben Sie oder habt ihr schon mal das Glück gehabt, zuzugucken, wie Vögel flügge werden. Ich verpasse das in unserem Garten regelmäßig, aber ich kenne es aus dem Fernsehen. Vögel haben bei diesem entscheidenden Moment eben gern ihre Ruhe. – Irgendwann, oft ermutigt durch die lockenden Stimmen der Eltern, hüpft das erste Junge dahin, wo es kein Weiterhüpfen mehr gibt. Wo nur noch eins möglich ist: sich fallen lassen, die kleinen Flügel ausbreiten, fliegen. Manche Vögel scheinen den Moment schnell hinter sich bringen zu wollen: Augen zu und durch. Manche zögern lange, während die Geschwister schon längst erstaunt festzustellen scheinen, dass es wirklich gelungen ist. Aber schließlich, schließlich wagt es auch das Ängstlichste unter ihnen, breitet zitternd die Flügel aus und – lässt los, lässt sich tragen, taumelt in diese Welt, die so neu ist, beängstigend –  und verheißungsvoll. Nur wenige Vögel kehren danach noch einmal in ihr Nest zurück. Die meisten lassen in diesem Moment alles hinter sich, was sie kannten. Nicht einmal einen Strohhalm vom Nest nehmen sie mit. 

Wer von uns würde wohl nicht gern diesen Moment erleben: Loslassen und fliegen? Ich hab das früher oft geträumt und das waren mit die schönsten Träume überhaupt. 

Schwieriger wird es, mir vorzustellen, dass ich an einen Moment in meinem Leben komme, in dem ich alles, wirklich alles zurücklasse. In dem mein Vertrauen, getragen zu werden, so groß ist, dass ich nichts mitnehmen muss in das neue Leben, noch nicht einmal einen Strohhalm. Vögel haben keine Wahl und trotzdem bewundere ich ihren instinktiven Mut. 

Einmal, am Ende unseres Lebens, haben wir auch keine Wahl. Und es ist nicht immer nur traurig, daran zu denken. „Wenn ich glücklich bin, wenn ich Frieden in mir habe, dann kann ich auch sterben“, hat vor kurzem ein Konfirmand gesagt. „Egal, wie alt ich dann bin“. 

Ich konnte gut verstehen, was er meinte. Es gibt besondere Momente des Glücks, und das kennen Sie und ihr vielleicht auch, da sind wir ganz im Frieden mit uns selbst, da haben wir keine Angst mehr, etwas zu verpassen, da müssen wir niemandem mehr etwas beweisen, nichts noch haben, da sind wir erfüllt im Hier und Jetzt. Dann könnten wir auch loslassen, sterben, wenn es so sein sollte, so fühlt es sich an.

Wir möchten glücklich sein. Und im Grunde  unseres Herzens wissen wir sehr genau, dass unser Glück nicht so sehr an dem hängt, was wir haben, auch nicht an der Anerkennung, die wir bekommen, nicht an unserem Erfolg, unserer Schönheit oder Klugheit. Noch nicht einmal an unserem Selbstbewusstsein. Unser Glück hängt auch nicht an unserer Sicherheit, nicht daran, dass alles so ist, wie es immer war. Unser Glück hat etwas mit Frieden zu tun, und mit Loslassen.

Das gilt für jeden einzelnen Menschen. Es gilt auch für Institutionen, wie z.B. unsere Kirche. Wir erleben als Kirche, wie wir loslassen müssen, ständig –  im Moment und erst recht auf lange Sicht. Wie schon geraume Zeit und manchmal in schwindelerregendem Tempo in Frage gestellt wird, was wir für un-aufgebbar gehalten haben, woran wir uns als einzelne Christ*innen oder als Gemeinden oder als Kirche gehalten haben, woran unser Herz hängt – vielleicht wirklich, vielleicht auch mehr, weil wir es nicht anders kennen: Unsere Art, Gottesdienst zu feiern, unser Art, die Bibel zu lesen und zu verstehen, unser Gottesbild, manche Liedtexte, unsere Strukturen, unser Pfarrbild.

Wenn das Weizenkorn, das in die Erde fällt, nicht stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, trägt es viel Frucht.

So sagt Jesus. Und er weist damit auf seinen kommenden Tod hin. Im Rückblick auf Jesu Leben und Sterben sind die Erzählungen der Evangelien entstanden. Im Rückblick auf Jesu Leben erst haben seine Anhänger*innen zu verstehen versucht, dass Jesu Tod am Kreuz keine Niederlage war, sondern Hingabe, Zeichen seiner Liebe und seines Vertrauens auf Gott, dessen Liebe größer ist als der Tod. 

„Jesus“, so haben es Schüler*innen einer Oberstufe einmal zusammengefasst: „Jesus geht in die Machtlosigkeit und Verlorenheit hinein. Der Kreuzweg Jesu ist paradoxerweise ein Triumphzug zugunsten eines Lebens aus der Nähe zu Gott und der Liebe zu den Mitmenschen.“

So paradox, so widersprüchlich das klingt: Kreuzweg als „Triumphzug der Liebe“. So widersprüchlich scheint es zu sein, wenn ein Konfirmand sagt, dass er sterben könnte, wenn er glücklich ist. 

Das Weizenkorn, sagt Jesus, muss sterben. Gerade dann und nur dann bringt es Frucht. Nur im Loslassen bleibt es dem Leben verbunden. Wenn es nicht in die Erde kommt, bleibt es allein. 

Jesus weist auf seinen kommenden Tod hin, aber er knüpft damit auch an sein Leben an, an das, was er seine Anhänger*innen für ihr Leben lehren wollte und mit seinen Gleichnissen und Gedanken, seinem Leben gelehrt hat. „Klammere dich nicht ängstlich an das, was dir vertraut ist, lähme dich nicht durch die Liebe zu dem, was vergangen ist. Dein Besitz, dein Ansehen, nichts von dem hat Bestand. Was Bestand hat, ist Gottes Nähe und Liebe. Was dir Frieden schenkt, ist Liebe – und Vertrauen. Vertrauen auf Gott, der Leben schenkt und es nicht verloren gibt, Liebe zum Leben, das Gott geschaffen hat, zu den Menschen um dich herum, zur Schöpfung, deren Teil Du bist.“ 

Es klingt so einleuchtend, was Jesus nach den Erzählungen der Evangelien in so vielen Varianten deutlich macht. Aber wir tun uns schwer mit dem Loslassen. Wir tun uns schwer damit, uns selbst nicht so wichtig zu nehmen in dem Vertrauen, das Gott uns wichtig nimmt. Wir brauchen so viel für unser Glück und wissen im Grunde, dass wir nie ganz satt werden, wenn wir all dem hinterherjagen, was uns scheinbar noch fehlt in unserer Lebens-Bilanz. Loslassen ist schwer. Nicht erst am Ende des Lebens. Manchen Menschen fällt es am Ende gar nicht so schwer. Und es ist unendlich tröstlich das zu erleben, oder zu hören. 

Im Leben lassen wir ungern los. Aber wir können es üben. Als einzelne Menschen, auch als Kirche und Gemeinde. Die Corona-Krise hat vielen von uns beim Üben geholfen. Für manche war und ist das ein großer Schmerz und eine existentielle Bedrohung, an der nichts schön zu reden ist. Aber viele von uns haben in den letzten Monaten erlebt, dass Loslassen auch eine gute Erfahrung sein kann. Manche haben erlebt, wie gut es tun kann, mehr Zeit für die Familie zu haben, sich Zeit zu nehmen, um im Wald zu spazieren oder – Vögel zu beobachten. – Wir als Gemeinde haben erlebt, dass selbst eine Kirche, in der Heilig Abend kein Gottesdienst gefeiert wird, ein Trost- und Kraftort sein kann, und dass eine Gemeinde auch lebendig sein kann, wenn alles anders ist als sonst. Ja, dass all das erzwungene Loslassen auch Kräfte und Ideen freisetzt und die Gemeinschaft stärkt.

Das wünsche ich mir und Ihnen und Euch, dass wir als einzelne Menschen und auch als Gemeinde, auch wenn diese Krise vorüber ist, diese Erfahrungen nicht vergessen, dass wir nicht einfach wieder da anfangen, wo wir aufgehört hatten. Ich wünsche uns das Vertrauen, dass wir nicht abstürzen, wenn wir Gewohntes loslassen, Neues wagen, sondern getragen werden, wie es uns Jesus verheißt: Getragen von Gottes Liebe, die uns hält, wohin wir auch gehen, wie sehr wir uns dabei auch verlaufen mögen, die  unsere Füße auf weiten Raum stellt. 

Und Gottes Frieden, der höher ist als alle Vernunft….

  1. Lied: 98 Korn, das in die Erde (ganz)

Abkündigung

Wir freuen uns, dass wir ab heute auch wieder live Gottesdienste zu den üblichen Zeiten feiern können. Am kommenden Donnerstag um 20 Uhr feiern wir auch den Taizégottesdienst in unserer Kirche in Hilgen. Diesmal mit instrumentaler Musik. In der Folgewoche findet er dann in der Liebfrauenkirche statt. Natürlich mit allen bekannten Vorsichtsmaßnahmen. Bitte bringt und bringen Sie zu allen Gottesdiensten einen fertig ausgefüllten Zettel mit Ihrer/Eurer Adresse mit.

Vater Unser

Segen

Um deinen Segen bitten wir Gott, für alle, die leiden, weil andere sich an ihre Macht klammern, oder ihre Reichtümer. Um deinen Segen bitten wir Gott, für uns und für diese Welt, dass wir Vertrauen lernen.

Gott segne dich und behüte ich, Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Gott erheben sein Angesicht auf dich und schenk dir Frieden, Amen

Orgel