Evangelische Kirchengemeinde Burscheid
Kleiner Video-Gottesdienst am 10. Januar 2021 aus Hilgen
Gottesdienst am 1. Sonntag nach Epiphanias
mit KMD Silke Hamburger (Orgel), Micha Frickenschmidt (Lektor), Thomas Michalzik (Kamera) und Prädikant Ekkehard Rüger (Predigt, Liturgie)
Orgelvorspiel
J.L. Krebs Präludium in C
Begrüßung: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“ (Röm 8,14)
Heute auf den Tag genau vor elf Jahren, am 10. Januar 2010, habe ich die Gemeinde, damals in Bergisch Neukirchen, mit demselben Wochenspruch aus dem Römerbrief begrüßt. Und dann zu derselben Stelle aus Paulus‘ Brief auch gepredigt. Ich habe mir jetzt die alte Predigt noch mal rausgesucht und geguckt, ob sie mir heute noch weiterhelfen kann. Keine Chance. Zu viel hat sich seither verändert, auch ich. Darum soll es dann heute in diesem Videogottesdienst zum 1. Sonntag nach Epiphanias auch gehen: Um die Veränderung und Erneuerung von Kirche und Gemeinde – und um Paulus‘ Ratschläge dazu.
Gebet:
Guter Gott,
du hast uns alle hier mit wunderbaren Gaben ausgestattet. Manchmal kennst du sie besser als wir selbst. Manchmal verleugnen wir das Wunderwerk deiner Schöpfung, weil wir unsere eigenen Begabungen verleugnen.
Hilf uns besser zu erkennen, wo unsere Möglichkeiten liegen und unsere Grenzen. Und verzeihe uns, wo wir diese Möglichkeiten verschleudern durch Missachtung oder Missbrauch.
Amen.
Psalm:
Wir beten mit den Worten des 89. Psalms:
Ich will singen von der Gnade des Herrn ewiglich
und seine Treue verkünden mit meinem Munde für und für;
3denn ich sage: Auf ewig steht die Gnade fest;
du gibst deiner Treue sicheren Grund im Himmel.
4»Ich habe einen Bund geschlossen mit meinem Auserwählten,
ich habe David, meinem Knechte, geschworen:
5Ich will deinem Geschlecht festen Grund geben auf ewig und deinen Thron bauen für und für.
27Er wird mich nennen: Du bist mein Vater,
mein Gott und der Hort meines Heils.
28Und ich will ihn zum erstgeborenen Sohn machen,
zum Höchsten unter den Königen auf Erden.
29Ich will ihm ewiglich bewahren meine Gnade,
und mein Bund soll ihm fest bleiben.
30Ich will ihm ewiglich Nachkommen geben
und seinen Thron erhalten, solange der Himmel währt.«
Predigttext
1 Ich bitte euch nun, liebe Brüder und Schwestern, bei der Barmherzigkeit Gottes: Bringt euren Leib dar als lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer – dies sei euer vernünftiger Gottesdienst!
2 Fügt euch nicht ins Schema dieser Welt, sondern verwandelt euch durch die Erneuerung eures Sinnes, dass ihr zu prüfen vermögt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
3 Denn ich sage einem jeden unter euch kraft der mir verliehenen Gnade: Sinnt nicht über das hinaus, was zu sinnen nottut! Seid vielmehr auf Besonnenheit bedacht, jeder, wie Gott ihm das Maß des Glaubens zugeteilt hat. 4 Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, die Glieder aber nicht alle dieselbe Aufgabe erfüllen,
5 so sind wir, die vielen, in Christus ein Leib, im Verhältnis zueinander aber Glieder.
6 Wir haben verschiedene Gaben entsprechend der Gnade, die uns gegeben wurde: sei es die Gabe, prophetisch zu reden in Ausrichtung auf den Glauben,
7 sei es die Gabe zu dienen, wo es um Dienst geht, zu lehren, wo es um Lehre geht,
8 Trost zu spenden, wo es um Trost geht. Wer andern etwas gibt, tue es ohne Hintergedanken; wer eine Leitungsaufgabe versieht, tue es mit Hingabe; wer Barmherzigkeit übt, tue es heiter und fröhlich.
(Röm 12,1-8; Zürcher Bibel)
Lied: EG 410,1-3 (Christus, das Licht der Welt)
Predigtgedanken:
Liebe Gemeinde,
in unserer Landeskirche, der Evangelischen Kirche im Rheinland, gibt es seit zwei Jahren ein Projekt, das nennt sich Erprobungsräume. Für einen Zeitraum von zehn Jahren stellt die Kirche dafür zwölf Millionen Euro zur Verfügung. Es geht darum, neue Formen von Gemeinde auszuprobieren, jenseits dessen, was wir uns im Allgemeinen noch darunter vorstellen. Also nicht zwingend ein Kirchengebäude im Zentrum. Nicht zwingend ein Pfarrer oder eine Pfarrerin als Fixpunkt des Gemeindelebens. Noch nicht einmal zwingend eine feste räumliche Gemeindebegrenzung.
Nicht alles, was da im Internet unter www.erprobungsraeume.de vorgestellt wird, muss einem gefallen. Man muss auch nicht alles gleich als Verheißung der gemeindlichen Zukunft verstehen. Aber was das Projekt verdeutlicht: Das, was Christsein in der Welt ausmacht, verändert sich immer wieder, muss sich auch verändern. Die Gestalt der Kirche von morgen ist (hoffentlich) eine andere als die Gestalt der Kirche von gestern.
Sich Gedanken darüber zu machen, wie unser christliches Miteinander aussehen und was dabei wichtig sein könnte, diese Gedanken sind nun allerdings nicht neu. Schon Paulus hat sie sich gemacht in seinem Brief an die Gemeinde von Rom. Und der kurze Auszug, den wir gerade als Predigttext gehört haben, gibt eine Reihe Hinweise dazu. Drei Ratschläge von Paulus, so, wie ich sie verstehe, möchte ich herausgreifen.
Der erste: Wendet euch der Welt zu mit allem, was euch ausmacht, aber verliert dabei nicht aus dem Blick, was euch trägt. „Bringt euren Leib dar“, schreibt Paulus. Das ist für ihn vernünftiger Gottes-Dienst. Alles, was uns an Gaben und Möglichkeiten zur Verfügung steht, soll einem gelingenden Leben und Zusammenleben auf Erden dienen. Christinnen und Christen fliehen nicht vor der Welt, wie sie ist. Sie verschließen nicht die Augen, sondern sehen hin und versuchen zu ergründen, was jetzt geboten ist. Sie packen an mit Haut und Haar. Sie mischen sich ein und unter die Menschen.
Aber zugleich warnt Paulus: „Fügt euch nicht ins Schema dieser Welt.“ Also: Lasst euch nicht vereinnahmen, lasst euch nicht euren christlichen Blick verstellen. Prüft euer Tun immer wieder mit der Frage, was der Wille Gottes ist. Das ist der Maßstab. Für diese doppelte Bestimmung, mit der Paulus gemeindliches Wirken beschreibt, habe ich in einem Kommentar zur Zürcher Bibel einen schönen Begriff gefunden. Paulus, so heißt es darin, fordert die Gemeinde in Rom zu einer unangepassten Weltzuwendung auf.
Paulus‘ zweiter Rat: Haltet Maß und schont eure Kräfte. Wörtlich steht da: „Sinnt nicht über das hinaus, was zu sinnen nottut!“ Wir müssen nicht heute schon ein fertiges Konzept der Kirche von morgen vorlegen. Wir müssen und können nicht die ganze Welt retten. Paulus ruft die Gemeinde von Rom und uns zur Besonnenheit auf. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt so: „Überfordert euch nicht bei dem, wofür ihr euch einsetzt, achtet auf eure Grenzen bei dem, was ihr vorhabt.“
Ein zentraler Satz Jesu lautet schließlich: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ In diesem Satz steckt ja beides – die liebende Hinwendung zum Leben und den Menschen um uns herum wie auch der liebende Blick auf uns selbst, auf das, was uns guttut und was wir brauchen. Und dieser Blick ist nicht selbstverliebt, sondern Folge der Liebe, die Gott uns schenkt: Weil er uns liebt, ist ein sorgsamer Umgang mit uns selbst Ausdruck derselben Menschenfreundlichkeit, mit der wir der Welt begegnen sollen.
Der dritte Ratschlag, den ich aus dem Römerbrief herauslese: Bleibt ihr selbst und bedenkt doch das Ganze. Diese Passage erscheint mir geradezu erschütternd aktuell – wie ein Kommentar zu den Zerreißproben der Gegenwart, nicht nur in den Gemeinden und der Kirche, sondern auch in den modernen Gesellschaften insgesamt. Wie bringen wir unser Bedürfnis nach Individualität in Einklang mit dem Bedürfnis der Gemeinschaft? Paulus gibt uns das Bild vom Leib mit auf den Weg, vom Körper und seinen Gliedern. Wir sind individuell wie jedes einzelne Glied, das sich von den anderen Gliedern unterscheidet – und das auch seine ganz eigene Begabung hat. „Wir haben verschiedene Gaben entsprechend der Gnade, die uns gegeben wurde“, schreibt Paulus. Und diese Gaben sind nicht besser oder schlechter als andere. Aber sie können nur in der Gemeinschaft ihre Wirkung entfalten und in der Verbindung zueinander. Und das Verbindende, das ist in diesem Fall der Bezug auf das Beispiel Jesu.
Dieser Gedanke schlägt wieder die Brücke zurück zu Paulus‘ erstem Rat: Verliert nicht aus dem Blick, was euch leitet und trägt, was der Wille Gottes ist. Gott will, dass alles Leben gelingt. Und dass alles Leben überall Schutz genießt. Alles Leben – nicht nur unseres. Und überall – nicht nur in unserem warmen Zuhause, in unserer Gemeinde und in unserem reichen Land, sondern auch in den Winternächten an der bosnisch-kroatischen EU-Außengrenze beispielsweise. „Fügt euch nicht ins Schema dieser Welt“, schreibt Paulus. Sondern prüft immer wieder neu, was der Wille Gottes ist. Der Handlungsraum, der sich damit eröffnet, ist auch ein Erprobungsraum für die Zukunft der Kirche.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsre Vernunft, halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe. Amen.
Lied: EG 268,1-3 (Strahlen brechen viele)
Abkündigungen:
Fürbittengebet:
Gott,
Wir bitten dich: Stärke uns auf unserem Weg,
für unseren Glauben, für unseren Beitrag zu einer freundlicheren Welt das rechte, uns gerecht werdende Maß zu finden.
Wir bitten dich für alle, die jedes Maß verloren haben, egal wo sie wirken mögen: Sei ihnen Stein des Anstoßes, um zur Besinnung zu kommen.
Wir bitten dich für die, denen jede Wertschätzung versagt wird oder die sich selbst maßlos zu Grunde richten: Sei du ihnen das Maß aller Dinge, an dem sie sich aufrichten und deine Gaben in ihnen neu entdecken können.
Und gemeinsam beten wir:
Vater unser:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme,
dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen:
Gott segne dich und behüte dich,
Gott lasse sein Angesicht leuchten
über dir und sei dir gnädig.
Gott erhebe sein Angesicht auf dich
und gebe dir Frieden.
Orgelnachspiel
Bach „Zwingt die Saiten in Cythara“