Skizze einer nicht gefeierten, aber ersehnten Christmette

Was uns an dieser Nacht so bewegt
Skizze einer nicht gefeierten, aber ersehnten Christmette

Von Ekkehard Rüger

„Wie soll ich dich empfangen“ – dieses wunderbare Adventslied von Paul Gerhardt (Nr. 11 im Gesangbuch) war schon fest vereinbart als ein Beitrag der Kantorei in der Christmette. Eigentlich ist der Advent, also die Zeit des Wartens und der Erwartung, ja mit dem Fest der Ankunft Gottes unter uns Menschen beendet. Aber wir alle merken, dass das Warten in diesem Jahr noch kein Ende gefunden hat. Wir warten auf bessere Zahlen zur Pandemie-Entwicklung. Wir warten auf bessere Zeiten. Und wir wissen vielleicht noch weniger als sonst, wie wir der Hoffnungserzählung dieser Christnacht gegenübertreten sollen. Wie sollen wir dich empfangen?

Vielleicht hilft es, wenn wir uns zunächst fragen, in welcher Verfassung diese Nacht uns empfängt. Wovon sind wir geprägt, wenn die Dämmerung anbricht und das Licht schwindet? Von der Sorge, diese noch unkontrollierbare Pandemie könnte auch uns persönlich treffen? Rackern wir über alle Kräfte hinweg an den Brennpunkten der Coronabekämpfung? Oder quälen uns die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Sicherheitsmaßnahmen? Sind wir genervt und erschöpft, weil sich zu Hause alle nur noch im Weg sind? Oder raufen wir uns die Haare, weil uns diese vielen Entscheidungsträger mit ihrem Schlingerkurs heillos überfordert erscheinen? Wer jedenfalls kann schon freien Herzens von sich sagen, er oder sie gehe gänzlich unbeschwert in diese Nacht am Ende eines bedrückenden Jahres?

Die Geschichte, von der diese Nacht erzählt, ist die einer Einladung. Gott lädt uns ein, mit ihm neu anzufangen. Die Geschichte von Gott und den Menschen ist viel älter, sie beginnt nicht erst mit Jesu Geburt. Aber sie beginnt mit dieser Geburt von Neuem. Und seither Jahr für Jahr wieder mit jedem Fest, durch das wir uns an diese Geburt erinnern. Gott macht sich klein für uns, klein wie ein Kind, damit wir vor seiner Größe nicht kapitulieren. Damit wir verstehen, dass er mit seiner Menschenliebe mitten unter uns sein will. Mit der Geburt Jesu ist ein Anfang gemacht.

Die Geschichte, von der diese Nacht erzählt, ist die einer Zusicherung: dass Gott uns dauerhaft von dem befreien will, was uns belastet. „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken“, wird derjenige sagen, der in dieser Nacht noch ein Kind ist. Und der später all das verkörpern wird, was Gott für ein gelingendes Leben auf Erden wünscht. Wir sind an der Krippe willkommen wie die verdreckten Hirten, die sich durch die Nacht gefroren haben und dann doch aufgebrochen sind, weil ihnen große Freude verheißen wurde. Mögen die Weisen aus dem Morgenland auch Gold, Weihrauch und Myrrhe mitbringen. Wenn wir nicht mehr zu bieten haben als unsere Mühen und Ängste, die ganze Wut, die Nöte und unsere Hilflosigkeit, dann können wir auch all das in dieser Nacht ablegen an der Krippe. Wir können es dort ablegen, weil in diesem Kind schon Gottes Kraft aufscheint, die bereit ist, unsere Last zu ertragen und uns durch das Leben zu tragen.

Die Geschichte, von der diese Nacht erzählt, kennt kein Ende. Wenn ich Heiligabend gegen 23.30 Uhr die Burscheider Kirche verlasse, weil sie gleich abgeschlossen wird, werde ich mich zu Fuß auf den Heimweg nach Hilgen machen. Das ist eine Tradition seit Kindertagen, mich irgendwann in der Nacht dieser Friedfertigkeit auszuliefern, die ich immer als eine besondere empfunden habe. Und dabei staunend die Friedfertigkeit wahrzunehmen, die sich in mir selbst breitmacht. Sie wird nicht ewig halten, ich weiß das inzwischen. Aber es gibt sie. Und wenn sie mir im Lauf der Zeit verloren geht, weiß ich, wo ich sie wiederfinden kann: im nächsten Jahr, wenn der Heilige Abend zur Nacht geworden ist und Gott seine Einladung zum Neuanfang erneuert.

Amen

Einen Heiligabend ohne Paul Gerhardts „Ich steh an deiner Krippen hier“ ist schwer vorstellbar. Auch dieses Lied war für die Christmette vorgesehen. Darin findet sich die berührende Zeile „Ich lag in tiefster Todesnacht, / du warest meine Sonne“. Und in der nächsten Strophe dichtet Gerhardt: „O dass mein Sinn ein Abgrund wär /
und meine Seel ein weites Meer, / dass ich dich möchte fassen!“

Ein weites Herz und eine Seele wie ein weites Meer, um die Liebe zu fassen, die uns in dieser Nacht geschenkt ist – Sehnsuchtswünsche durch alle Zeiten. Aus einem Gebet zu Beginn der Burscheider Christmette vor sieben Jahren:

Wir suchen dich hier, weil wir hoffen,
reicher hinauszugehen, als wir hereingekommen sind,
reicher an Hoffnung und an Heil.
Darum bitten wir dich: Komm uns entgegen
in der Dunkelheit, die uns umgibt.

Amen

Ich setze auf die Liebe
Weihnachtspsalm (1. Korinther 13)

Ich setze auf die Liebe
Das ist das Thema
Den Hass aus der Welt zu entfernen
Bis wir bereit sind zu lernen
Dass Macht Gewalt Rache und Sieg
Nichts anderes bedeuten als ewiger Krieg
Auf Erden und dann auf den Sternen.
Ich setze auf die Liebe
Wenn Sturm mich in die Knie zwingt
Und Angst in meinen Schläfen buchstabiert
Ein dunkler Abend mir die Sinne trübt
Ein Freund im anderen Lager singt
Ein junger Mensch den Kopf verliert
Ein alter Mensch den Abschied übt

Ich setze auf die Liebe
Das ist das Thema
Den Hass aus der Welt zu vertreiben
Ihn immer neu zu beschreiben
Die einen sagen es läge am Geld
Die anderen sagen es wäre die Welt
Sie läg in den falschen Händen
Jeder weiß besser woran es liegt
Doch es hat noch keiner den Hass besiegt
Ohne ihn selbst zu beenden
Er kann mir sagen was er will
Und kann mir singen wie er’s meint
Und mir erklären was er muss
Und mir begründen wie er’s braucht
Ich setze auf die Liebe! Schluss!

Gott schütze Euch
Gott schütze und befreie uns.

Amen
Hanns Dieter Hüsch