Predigt – Audio zum Pfingstsonntag am 23. Mai 2021

Pfarrerin Annerose Frickenschmidt

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Lesung  Genesis 11,1-9

Damals hatten alle Menschen nur eine einzige Sprache –mit ein und denselben Wörtern. Sie brachen von Osten her auf und kamen zu einer Ebene im Land Schinar. Dort ließen sie sich nieder. 

Sie sagten zueinander:»Kommt! Lasst uns Lehmziegel formen und brennen!« Die Lehmziegel wollten sie als Bausteine verwenden und Asphalt als Mörtel. Dann sagten sie:»Los! Lasst uns eine Stadt mit einem Turm bauen. Seine Spitze soll in den Himmel ragen. Wir wollen uns einen Namen machen, damit wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen.«

Da kam Gott, die Ewige, vom Himmel herab. Gott wollte sich die Stadt und den Turm ansehen, die die Menschen bauten. Gott sagte: »Sie sind ein einziges Volk und sprechen alle dieselbe Sprache. Und das ist erst der Anfang. In Zukunft wird man sie nicht mehr aufhalten können. Sie werden tun, was sie wollen. Auf! Lasst uns hinabsteigen und ihre Sprache durcheinander-bringen. Dann werden sie einander nicht mehr verstehen«.
Gott zerstreute sie von dort über die ganze Erde. Da mussten sie es aufgeben, die Stadt weiterzubauen. Deswegen nennt man sie Babel, das heißt: Durcheinander. Denn dort hat Gott die Sprache der Menschen durcheinander gebracht. Und von dort hat sie Gott, der Ewige, über die ganze Erde zerstreut.

Ansprache

Liebe Gemeinde, 

was für eine Sprache sprechen wir? Wie reden wir miteinander, wie reden wir von Gott? Im Kindergartengottesdienst vor 2 Tagen habe ich die Kinder gefragt, was sie so alles von Gott wissen. Ein vielleicht 5jähriges Mädchen meldete sich und sagte: „Wenn wir krank sind, dann ist das eine Strafe von Gott, weil wir böse waren!“

Ich widerspreche den Kindern selten, denn sie verstehen viel von Gott und lassen, was sie hören, oft unmittelbar in ihr Herz hinein, behalten es, erzählen es Wochen später noch. Aber an dieser Stelle habe ich widersprochen. Ich war mir bewusst, dass ich da eigentlich nicht einem Kind widerspreche, sondern den Menschen, die ihr einen solchen Gedanken in den Kopf und hoffentlich nicht zu sehr ins Herz gesetzt haben.

In welcher Sprache haben da Menschen mit ihr über Gott gesprochen? Und wofür musste da Gott herhalten?

Wie viele Ängste sind mit einer solchen Sprache schon in Kinderherzen gesenkt worden und sind da geblieben bis ins hohe Alter hinein! Über Jahrhunderte hinweg. Wie sehr ist Gottes Liebe dabei verraten worden, im Christentum, auch im Judentum, im Islam. Ja, „Gott ist manchmal traurig über uns, manchmal auch zornig, besonders über uns Erwachsene. Aber Gott hat uns lieb mit unseren schlimmen und mit unseren schönen Seiten. Eine Krankheit ist keine Strafe Gottes, weil wir böse waren!“ habe ich den Kindern gesagt, und wir haben noch eine Weile angeregt darüber geredet, so dass ich erst gar nicht dazu kam, meine Geschichte zu erzählen. „Gott ist in unserem Herzen“, sagte ein Junge, und „Gott sagt, hab keine Angst, ich bin bei dir“. Das ist die Sprache, die auch unsere christliche Kirche Menschen zu oft schuldig geblieben ist und noch heute manchmal schuldig bleibt. In dieser Sprache ist Gott lebendig. Jesus hat es uns doch aufgetragen: Lernt von den Kindern, wenn ihr etwas verstehen wollt vom Reich Gottes. Dieser Gedanke bewegt mich in letzter Zeit oft, und auch, wie wenig wir ihn im Grunde ernst nehmen. Die Sprache des Geistes wird mehr von machtlosen Kindern gesprochen als von Machthabern, sie wird gesprochen von denen, die Vertrauen haben, und nicht von denen, die Religion benutzen, um ihre Macht zu mehren.

Apropos Macht. 

Die Erzählung vom Turmbau zu Babel, die wir eben gehört haben, erzählt von menschlichem Machthunger und Größenwahn. Wir tun manchmal so, als sei die Bibel ein braves Buch. Ein Buch ohne Provokation oder Humor oder Kreativität.

Die Geschichte vom Turmbau zu Babel aber hat das alles: sie ist kreativ, provokant und hat eine deutlich selbstironische Komponente.

Es geht da ja nicht wirklich um Steine und Mörtel. Auch dann nicht, wenn diese Geschichte durchaus historische Vorlagen haben kann. In das Gedächtnis der Bibel geschrieben wurde sie aus einem anderen Grund: Weil wir Menschen als Spezies nicht selten so sind: Eitel, überheblich, mit dem Hang der Überschätzung unserer Wichtigkeit und dabei (bei ehrlicher und gelassener Betrachtung), durchaus etwas lächerlich. So gebärden wir uns untereinander und so gebärden wir uns gegenüber unseren Mitgeschöpfen, als wären wir nicht Teil des Ganzen, sondern die leuchtende Krone ganz oben auf dem Dach der Schöpfung. So bauen wir unsere Türme, so hoch, als wären wir Gott. Als könnten wir uns so verewigen aus eigener Kraft. Und merken nicht, was wir alles verlieren auf dem Weg ganz nach oben.

Gott guckt sich das an, so erzählt es das 1. Buch Mose. Die himmelsstürmenden Türme,  die eitlen Gedanken und Worte, eine Einheitssprache menschlicher Dummheit und Ignoranz. Eine andere Sprache scheinen die Turmbauer nicht zu kennen. Gott ist kreativ, natürlich, schließlich ist alles seine Schöpfung, auch diese seltsamen Menschen, die wir sind. Und so schafft Gott in der Erzählung eine Sprachverwirrung, die es den Menschen unmöglich macht, ihren Himmel-Turm weiter zu bauen. Vielfalt, da, wo alles ein Einheitsbrei war. Differenziertes Denken, wo alles so klar schien: Da die Steine, da der Turm, „gib mal den Spachtel her“.

Was für eine Sprache sprecht ihr? Das fragt uns die Geschichte. Sprecht ihr die Sprache der Überheblichkeit, die Sprache der angeblichen Eindeutigkeiten im Leben: Spachtel ist Spachtel und Stein ist Stein und wer etwas andere sagt, darf nicht mit bauen? Oder sprecht ihr die Sprache des Geistes? Lasst ihr Gottes Atem in euch wohnen? Nehmt ihr euch Zeit, zu hören, zu lauschen auf Gottes Geist in euch, auf den Wind, der manchmal und sehr verwirrend alles durcheinanderwirbelt, was ihr für richtig und wichtig erachtet habt? Habt ihr Mut für Zwischentöne und Fragen und Zweifel, für Un-Eindeutigkeiten? Für die Gedanken der anderen, die ganz anders sind als die eigenen? Habt ihr den Mut, auszuhalten, dass richtig und falsch nicht immer offensichtlich ist? 

Ist eure Sprache großspurig oder freundlich? Macht eure Sprache andere klein oder schenkt sie Vertrauen und Zutrauen? Kreisen eure Gedanken und Worte um euer kleines Leben oder haben andere mit ihren Gaben und ihrer Not darin Raum?

Hat Gottes Atem Platz in dem, was euch bewegt, in dem, wovon ihr euch bewegen lasst? 

Gottes Geist ist Bewegung, Wind. Gott thront nicht fern im Himmel sondern sie ist hier, seine ruach, in uns, um uns.

Die Erzählung vom Turmbau zu Babel ist eine Einladung, nicht so sehr auf unsere Größe zu setzen, sondern auf die Lebendigkeit des Geistes, Gottes Atem in uns.

Und der Friede Gottes, höher als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen

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